(Sprüche
in Prosa)
Dem
physische zugeneigte Sinne
Der
Tastsinn
Um
sich vorzustellen, wie der Tastsinn alleine arbeitet, müssen wir uns
vorstellen, nur Tastwesen zu sein. Das gleicht in etwa einem nacktem
Wurm, der sich in einem dunklen, unbekanntem Raum.
Im
normalen Alltag ist der Tastsinn eng verbunden mit dem Temperatursinn
und dem Gleichgewichtssinn.
Der
Tastsinn zeigt uns unsere Grenzen und die Grenzen der Welt. Wir
werden uns unserer Begrenzung bewusst. Durch den Tastsinn
entdecken/ ertasten wir die Welt. Wir spüren einen Widerstand, der
Widerstand kommt von Außen. Aber es geschieht auch etwas innerhalb
der menschlichen Seele, wenn wir an etwas rühren: wir erwachen. Wir
wecken einen Menschen via Tastsinn; ein zartes Streicheln genügt!
(Der
Wurm ist weiter entwickelt, als die Seeanemone. Die Seeanemone merkt
nicht, ob etwas an sie stößt oder ob sie an etwas stößt. In
beiden Fällen zieht sich die Seeanemone zurück. Kommt etwas auf den
Wurm zu, zieht auch er sich zurück. Stößt der Wurm allerdings an
einen Stein, zieht er sich nicht zurück.)
Der
Strampelsack, die (weiche aber spürbare) Begrenzung eines Säuglings
ist wichtig zur Entwicklung des Tastsinns. Konturlosigkeit hingegen
bewirkt Unsicherheit.
Unser
Tastsinn ist nicht so gebaut, dass wir aus der Haut fahren. Es sind
keine ausgestreckten Nervenfasern. Wenn der Tastsinn so gebaut wäre,
würden wir nie eine Grenze erleben. (Tastkörperchen sind in der
Lederhaut liegende Nervenfasern – über der Lederhaut liegt noch
die Oberhaut)
Wenn
wir den Tastsinn nicht hätten, würden wir alle miteinander
vollkommen eins sein, wir würden uns wie ein Wassertropfen im Meer
auflösen. Das ist wahrscheinlich ein hinreißendes Gefühl, nur
würden wir es nicht merken. Denn um zum Bewusstsein zu kommen, sind
zwei Dinge nötig.
Durch
den Tastsinn wird uns die Trennung vom Kosmos bewusst.
Gleichzeitig spüren, erfahren wir den Kosmos durch den Tastsinn.
Dadurch verbindet und Trennt uns der Tastsinn, beides gleichzeitig.
Novalis: „Berührung ist Trennung und Verbindung zugleich.“
Der
Tastsinn ermöglicht es uns, uns unser ganzes Selbst abzutasten. Erst
wenn ein Kind anfängt richtig „ich“ zu sagen, sind seine Ärmchen
so lang, dass es sich selbst vollständig abtasten kann.
Der
Tastsinn ist der große Lehrmeister der Tatsache, dass wir
abgesondert sind.
Vermutlich
der älteste leibliche Sinn, bereits am Ende der 4.
Schwangerschaftswoche funktionsfähig.
frei
nach Albert Soesman
Die zwölf Sinne: Tore der Seele
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